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Anders denken. Anders entwickeln.

Porträt von Jörg Reimer

Klein ist im beschaulichen Zarrentin am Schaalsee allenthalben die Stadt. Auf keinen Fall aber die Zahl der Firmen, die sich hier nach dem Mauerfall angesiedelt haben. Zu ihnen gehört die VARIOVAC PS SystemPack GmbH, ein Unternehmen stattlicher Größe mit 280 Mitarbeitern und 65 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Der Produzent für Verpackungslösungen exportiert 85 Prozent seiner Maschinen für Lebensmittel sowie 15 Prozent für medizinisch-technische Artikel (Sterilgüter) in 65 Ländern auf allen Kontinenten. Die größten Abnehmermärkte finden sich in den USA und Deutschland, im europäischen Ausland, Asien, Australien, Neuseeland und Südamerika.

Und zwar stets bei Kunden mit Zufriedenheitspotenzial. Darauf legt Geschäftsführer Jörg Reimer großen Wert. „Anders denken. Anders entwickeln.“ ist sein Credo. Anders drauf sein auch. Werte spielen für ihn eine große Rolle: Respekt, Akzeptanz, ein ehrlicher und offener Umgang. Gern mit einem Lächeln, einem Augenzwinkern.

Der 62-Jährige hat sein Metier von Grund auf gelernt. „Als Kind war ich ein begeisterter Lego-Spieler. Die Freude war riesig, als Lego-Technik rauskam, mit der ich selbst etwas entwickeln konnte. Tüfteln, berechnen, ausprobieren – das faszinierte mich. Unwissentlich setzte sich dieser Weg fort.“ Der Ausbildung zum Flugzeugmechaniker folgte das Ingenieurstudium im Maschinenbau. Und ziemlich schnell eine beeindruckende Karriere. Als Geschäftsführer und Gesellschafter reist Jörg Reimer ziemlich viel. Er hat noch heute sehr viel Spaß daran, Maschinen auseinander- und wieder zusammenzubauen. „Ein Rechtsgewinde geht rechts rum – da verlernt man nichts“, lacht er, räumt aber gleichzeitig ein, dass der Einsatz von Elektronik deutlich größer geworden sei. Ein gleichbleibendes Grundprinzip mit kundenspezifischen Anpassungen macht Verpackungen möglich, die sich durch Druck und Wärme verformen lassen. Je nach Inhalt erfolgt der Austausch der Atmosphäre, das heißt, Luft raus und Vakuum erzeugen oder Schutzgas rein. Ob Lebensmittel oder Medizinprodukte – die Maschinen aus Zarrentin sorgen weltweit für perfekte Verpackungen.

Qualitätskontrolle am Einsatzort

Jörg Reimer mit Werkteil

„Drei oder vier Mal im Jahr begleite ich selbst eine Maschine zu einem unserer Kunden, installiere und schaue gern, wie sie dann in den Produktionsprozess einbezogen wird. Solche wertvollen Erfahrungen bekommt man sonst nicht“, sagt der Maschinenbauspezialist. Und erklärt, um welche wertvollen Erfahrungen es geht. „Sollen beispielsweise Würstchen verpackt werden, schaffen Asiaten an einer Produktionsmaschine 175 Stück pro Minute. Europäer bringen es immerhin noch auf knapp 100. In der Karibik liegt diese Zahl bei 70. Verschiedene Bewegungsabläufe bestimmen somit, wie viele Mitarbeiter es an einer Anlage braucht, um das gewünschte Ziel zu erreichen. So etwas steht in keinem Lehrbuch.“

Selbst das Werkzeug zur Hand zu nehmen, ist nebenbei eine Art Qualitätskontrolle für Jörg Reimer. „Ich sehe, ob die Konstruktion sinnvoll ist oder ob es irgendwo klemmt.“ Was auf welche Weise in Zarrentin entsteht, ist somit maßgeblich von Kunden und Anwendern gesteuert und stammt nicht aus den Entwicklungsabteilungen. „Dieses Prinzip hat uns weltweit nach vorne katapultiert. Es zeigt, warum es elementar wichtig ist, anders zu denken und anders zu entwickeln!“

„Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung.“

Der Maschinen- und Anlagenbau verfügt in Deutschland immer noch über eine große Innovationskraft. „Wir müssen allerdings eine Menge dafür tun, um nicht überholt zu werden. Will sagen: Noch greift ,Made in Germany’ als Argument in Asien oder Nord- und Südamerika. Wir sehen bereits, dass andere die Entwicklungen nicht verschlafen. Bestes Beispiel ist die Automobilindustrie. China braucht sich nicht mehr zu verstecken.“

Eine gewisse Veränderung im Maschinen- und Anlagenbau kann Jörg Reimer ausmachen. Der Trend gehe zu kleineren Anlagen. Die Zahl von Spezifika werde zunehmen, ist er sich sicher. „Zwei oder drei kleinere Maschinen lösen das übliche Flaggschiff ab. Das ist wirklich ein Trend, und zwar der zur Einfachheit.“ Die ist bekanntermaßen die höchste Stufe der Vollendung, wie bereits Leonardo da Vinci formulierte. Bei VARIOVAC hat diese Erkenntnis ebenfalls einen Slogan: Simpler. Faster. Better. 

Rund 20 Prozent der VARIOVAC-Mitarbeitenden sind Ingenieure. Sie setzen darauf, bestehende Standards respektive Plattformen zu individualisieren. „Design for Order“ bestimmt den Sondermaschinenbau. Die Entwicklung spezieller Komponenten gehört zum Tagesgeschäft. „Bei uns geht es jeden Tag darum, Maschinen anwenderbezogen zu bauen und zu gestalten. Sie müssen in der Anwendung so einfach wie möglich sein.“ Der Einsatz von Sensorik bleibt begrenzt. Die Lebensmittel produzierende Industrie hat einen hohen Reinigungsaufwand. Zu komplizierte Maschinen würden sich als zu anfällig erweisen.

Jörg Reimer möchte gern wissenschaftliche Erkenntnisse implementieren. „Eine entsprechende Hochschule in Schwerin wäre toll. Wismar ist für uns hier ganz im Westen des Landes schon ziemlich weit weg.“ Bei Verpackungsmaterialien beispielsweise macht ein forschender Ansatz Sinn. „Mit Studenten an Bord ließe sich unser Potenzial weiter steigern.“

Blick in die Produktionshalle
Produktionshalle von VARIOVAC Copyright: VARIOVAC

Limitierender Faktor: Personalmangel

Pläne für die Zukunft des Hidden Champions am Schaalsee sehen, wie alle fünf Jahre, Erweiterungen vor. Platz ist genug da – ein Standortvorteil. Der limitierende Faktor sei das Personal, meint der Chef von VARIOVAC. „We hire characters, we train skills“ beschreibt er eine Devise, dem Fach- und Arbeitskräftemangel selbst entgegenzuwirken. Die zweite findet sich in der Digitalisierung, dem Einsatz von KI. „Darin steckt ein riesiges Potenzial auch für kleinere Unternehmen wie uns. Wir vernetzen unsere Vertriebs-, Konstruktions- und Produktionsabläufe miteinander. Ziel: 30 bis 40 Prozent der Mitarbeiter für andere Aufgaben freizubekommen. Wir sehen diese Chance, haben aber gerade nicht die Kapazitäten, sie aktiv umzusetzen.“

Es bleibt somit ein Wettkampf gegen die Zeit. „Bis 2030 wollen wir einen Jahresumsatz von 100 Millionen Euro erreicht und 420 bis 450 Mitarbeiter bei uns haben“, blickt Jörg Reimer nach vorn. Gerade hat das Unternehmen eine Versandhalle fertiggestellt. Weitere Baupläne und eine komplett neue Verkehrswegeführung liegen bereits auf dem Tisch. Nicht ohne Stolz merkt der Geschäftsführer an, einen der modernsten Maschinenparks in Deutschland zu haben. Keine Maschine ist älter als fünf Jahre. „Mit zusätzlichen Mitarbeitern könnten wir jedoch mehr produzieren und verkaufen.“

Die VARIOVAC PS SystemPack GmbH steht somit beispielhaft für den Metall- und Anlagenbau. Dieser gilt nach der Nahrungsmittelproduktion als umsatz- und mitarbeiterstärkster im Bereich des verarbeitenden Gewerbes in Mecklenburg-Vorpommern. Beide Branchen erwirtschaften zusammen etwa 4,3 Milliarden Euro Umsatz und beschäftigen 10.000 Mitarbeitende, weist die Industrie- und Handelskammer zu Schwerin in ihrer Statistik aus.

Die Kammer bestätigt für die gesamte Branche den globalen Trend hin zu anspruchsvollen Spezialmaschinen sowie angesichts des technologischen Know-hows langfristig positive Entwicklungschancen. Dem Zeitgeist folgend spezialisieren sich etliche Unternehmen inzwischen auf Zukunftsbranchen wie Erneuerbare Energien, Bio- und Medizintechnik sowie Mikrosystemtechnik.

Luftaufnahme des Firmengeländes
VARIOVAC in Zarrentin ist einer der bedeutendsten Maschinenbauer in Westmecklenburg mit Kunden auf der ganzen Welt. Copyright: VARIOVAC

VARIOVAC PS SystemPack GmbH

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