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Holzwirtschaft: Starkes Rückgrat für den Seehafen

Michael Kremp

Wer sich dem Wismarer Haffen nähert, spürt sofort, welche Bedeutung hier dem nachwachsenden Rohstoff Holz zukommt. So geht es auch Michael Kremp, seit 2006 Geschäftsführer der Seehafen Wismar GmbH. Mit Wurzeln in der Binnenschifffahrt begann er seinen Werdegang 1980 in Duisburg und übernahm nachfolgend unterschiedliche Führungspositionen in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft. 

Von seinem jetzigen Büro aus, in einem Modulgebäude aus Holz direkt am Wasser, sieht er riesige Berge von Holzschnitzeln, die ihren typischen Duft mit der frischen Seeluft mischen. Lässt der 62-Jährige seinen Blick an der Kaikante schweifen, kommen schnell beachtliche Kräne in Sicht, die aus großen Schiffen Rohholz entladen. Dieses gelangt in unmittelbarer Nähe in riesige Produktionshallen: Die holzverarbeitenden Unternehmen im Wismarer Hafen sind ein Glücksfall für die Hansestadt. Mehr als 2.000 Menschen arbeiten hier und machen den ohnehin einmaligen Standort zum starken Rückgrat des Seehafens. Und zu einem Gewinn für die Hansestadt, die von erheblichen Steuereinnahmen profitiert.

Das in der Hansestadt ansässige Holzcluster sucht seinesgleichen. Mir ist keine vergleichbare Infrastruktur im Kontext von Verarbeitung und Bear-beitung in Europa bekannt. Wir reden hier über ein Gewerbegebiet mit einer Fläche von 110 Hektar“, sagt Michael Kremp. Als der gelernte Spedi-tionskaufmann vor knapp zwei Jahrzehnten nach Wismar kam, war das Holzcluster bereits da. Insbesondere die großen Player hatten auf dem vormals militärisch genutzten Haffeld ihre Ansiedlungen längst ausgebaut. Zu den ersten zählte ein Säge- und Hobelwerk, welches seit 2010 unter dem Namen Ilim Nordic Timber agiert und zu den größten Akteuren seiner Branche weltweit gehört. 80 Millionen Bretter werden allein hier pro Jahr gefertigt.


Weitere Unternehmen am Standort sind das Brettschichtholzwerk von Mayr-Melnhof Holz, German Pellets, der Paletten Service und ein Abbund-zentrum. Eine ausgesprochen enge und direkte Verbindung existiert mit den Egger Holzstoffwerken, welche vor allem Laminatböden und Holzfaserplatten herstellen. Dafür notwendige Rohstoffe wie Hackschnitzel und Sägespäne gelangen per Förderband aus dem Sägewerk in die die Produktion von Egger.

Michael Kremp, Geschäftsführer der Seehafen Wismar GmbH

Hafen und Cluster untrennbar verbunden

Hinsichtlich des Gesamtumschlages von durchschnittlich sie-ben Millionen Tonnen wird deutlich, dass der Universalhafen Wismar aufHolz setzt: „Rund 50 Prozent der Tonnage hat mit diesem Rohstoff zu tun und wird über verschiedene Verkehrs-träger wie Bahn, Lkw und Schiff transportiert. Holzcluster und Seehafen – das ist fast wie eine Ehe. Eines hätte es ohne das andere nicht gegeben“, sagt Michael Kremp. Es mutet fast wie selbstverständlich an, dass beispielsweise 35.000 Kubikmeter Schnittholz für die USA hier abgefertigt werden. Das ent-spricht 11.000 Paketen, die auf 320 Meter langen und 35 Meter breiten Schiffen auf den Seeweg gehen.

 

Holz hat im Wismarer Hafen durchaus eine Geschichte. Die Entstehung des „Wissemer“ Hafens reicht auf das Jahr 1211 zurück und datiert somit noch vor der eigentlichen Stadtgründung 1229. Der älteste natürliche Baustoff avancierte nach wechselvoller Hafengeschichte allerdings erst deutlich später zu einem bedeutenden Handelsgut. Im 19. Jahrhundert etablierte sich neben dem Umschlag von Kohle auch Holz als wichtiger Rohstoff. Ein Ausbau des Hafens wurde notwendig. Zusätzliche Erweiterungen folgten im Laufe der jüngeren Vergangenheit. Zuletzt gab es 2018 eine Vergrößerung. Dafür wurden 43.000 Kubikmeter ins Wasser gebaut. „Das war die größte Flächenertüchtigung der letzten Zeit“, berichtet der Hafenchef.

Gesamte Wertschöpfungskette abgedeckt

Die zentrale Lage der maritimen Infrastruktur behauptet sich als ideal für die Nord-Südverkehre zwischen Skandinavien und Mitteleuropa. „Die Anbindung erweist sich für den gesamten Industriestandort als optimal“, schwärmt Michael Kremp. Es gebe kaum Berührungspunkte zur Stadt. Dadurch gestaltet sich die Infrastruktur weiterhin aufnahmefähig. Das ist wichtig für die Zukunft. „Wir sind sehr breit aufgestellt und konnten damit die Krise in den vergangenen Jahren gut überbrücken”, bemerkt der Geschäftsführer des Seehafens. 

„Ein weiterer Erfolgsfaktor, der uns auszeichnet, ist, dass wir als Hafengesellschaft sowohl das operative Geschäft betreiben als auch für die Infrastruktur zuständig sind. Auf diese Weise können wir die gesamte Wertschöpfungskette abdecken und die Bedürfnisse unserer Kunden erfüllen.”

Die Verkehre vor Ort passieren ein automatisiertes Lkw-Tor. 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. Ob Durchfahrt, Einfahrt in den Hafen oder Abholung – einiges konnte gemeinsam optimiert werden. Damit verfügt der Seehafen Wismar und mit ihm das Holzcluster über eine gute Wettbe-werbsposition, ist sich Michael Kremp sicher. Er selbst misst dem Rohstoff Holz eine große Bedeutung bei, wenngleich insbesondere die Baubranche unter aktuellen Entwicklungen leidet. Schleppende Genehmigungsverfahren, steigende Kosten, sinkendes Interesse am Bauen: Alle spüren die schwierige Situation – vom Bauholzhersteller bis zum Laminatproduzenten. „In der Wertschöpfungsbreite könnte noch mehr drin sein, würden beispielsweise mehr Häuser komplett aus Holz gebaut werden.“ Neben dem Hausbau inklusive Fußböden und Möbeln kommt Holz in der heimischen Papierindustrie und auch als Energieträger zum Einsatz. 

Holzumschlag
Das Holzcluster in Wismar ist einzigartig in Europa. Rund 50 Prozent der umgeschlagenen Tonnage gehen auf diesen Rohstoff zurück. Copyright: Peter Kensbock/AdobeStock.com

Digitaler Zwilling im Aufbau

Die Akteure von Seehafen und Holzcluster sind regelmäßig im Austausch. Den einst genutzten „Holz-Stammtisch“ gibt es nicht mehr, wohl aber gegenseitige Impulse in Gesprächen. „Wir versuchen permanent, logistische Abläufe zu verbessern. Neues Umschlagsequipment und die Optimierung technischer Ressourcen sind Ansätze, uns gegenseitig zu fordern und zu fördern.“ Das habe allerdings auch Grenzen, schätzt Michael Kremp ein, weil so viele technische Neuerungen nicht mehr kommen werden. 

 

Der Seehafen ist längst auf künftige Herausforderungen eingestellt: „Wir tauschen alle vier Jahre das Rollenequipment. Somit verfügen wir über neueste technische Trends vor Ort.“ Hinsichtlich der schweren Geräte erwartet Michael Kremp ebenfalls keine nennenswerten Innovationen. Ein Mobilbagger sei ein Mobilbagger, der über unterschiedliche Antriebe verfügen kann und vielleicht ein kleines Optimierungspotenzial besitzt. Mehr aber auch nicht.


Daher verfolgt der Manager mit Nachdruck seine Strategie zur weiteren Digitalisierung. „Wir kümmern uns um alles, was zu digitalisieren geht.“ Das beinhaltet unter anderem den Aufbau eines digitalen Zwillings, einem 3D-Modell vom Hafen, bei dem man in Echtzeit alle logistischen Abläufe sehen kann. Damit kann auch die Produktivität abgebildet werden – also zum Beispiel, wie lange die Ware am Kai liegt.

Auf dem Weg zum Green Port

Ein weiteres wichtiges Thema ist für Michael Kremp der Green Port. „Wenn uns ein Windrad genehmigt wird, bekommen wir schnell bis zu 85 Prozent Eigenversorgung hin. In Kombination könnten wir drei Millionen Kilowattstunden pro Jahr für den Hafen erzielen. Das ist nicht so viel, aber immerhin ein aktiver Beitrag für den umwelt- und ressourcenschonenden Umgang mit Energie. Wir wollen perspektivisch ein grüner Hafen sein“, sagt der Geschäftsführer. Er ist Realist genug zu wissen, dass auch bei diesen Entwicklungen nichts von heute auf morgen umzusetzen ist. Um Schiffe mit Landstrom während ihrer Liegezeit zu versorgen, gegebenenfalls auch Bordkräne zum Be- und Entladen, die einen höheren Energiebedarf haben, braucht es Übereinstimmungen. Und die fehlen. „Hier ist nichts genormt, jeder kommt mit einer anderen Vorstellung. Man kann das vergleichen mit dem Handy-Akkus und nun gängigen USB-C-Anschlüssen. Das erwies sich als langer Weg bis zur Umsetzung. Bei Schiffen ist das ähnlich, nur dass die Stecker etwas größer sind.“


Die umfassende Expertise von Michael Kremp wird dazu beitragen, auch diese Herausforderung zu bestehen. Kunden setzen sowohl auf Erfahrung, die man bereits im alten Holzhafen gesammelt hat, als auch auf modernes Know-how im Holz-Handling. „So sorgen Tradition und Zukunft für einen anhaltenden Spitzenplatz in der Holzindustrie“, sagt Michael Kremp. Solange es das Holzcluster gibt und Ware physisch bewegt werden muss, ist ihm nicht bange um die Zukunft des Seehafens.

Seehafen Wismar GmbH

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