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Bio: aus Überzeugung und weil es schmeckt!

Ella Kremer

Ella Kremer gehört zu Severin. Und Severin gehört zu ihr. Die 25-Jährige wuchs im und mit dem familiengeführten Unternehmen „Mecklenburger Landpute“ auf, sozusagen direkt auf dem Hof. Ihr Großvater Arvid Kremer hatte den Betrieb 1990 gegründet. „Ich habe die Entwicklung hautnah miterlebt. Ich fühle mich hier nicht nur zu Hause. Ich bin in der Region wirklich verwurzelt.“ Bodenständigkeit zählt zu den Eigenschaften, welche die studierte Betriebswirtschaftlerin von den Menschen in ihrem Umfeld mit auf ihren Weg genommen hat. Und eine große Motivation, in den Familienbetrieb einzusteigen. Nach dem Abitur – „ein Auslandsjahr kam nicht in Frage, ich wollte immer hier sein“ – absolvierte Ella Kremer die Ausbildung Kauffrau im Groß- und Außenhandel. „Das war eine schöne Ausbildung. Ich wollte aber noch mehr und habe ein Bachelorstudium drangehängt.“ Sie fühlt sich gut gewappnet für die neuen Herausforderungen, die sie nun in den Bereichen Marketing und Vertrieb meistern will. „Ich habe während der Studienzeit immer einen Fuß im Unternehmen gehabt und mitgearbeitet. Jetzt ist es Zeit, Vollgas zu geben“ sagt die ambitionierte Motorsportlerin, die an der Seite ihres Vaters, Geschäftsführer Armin Kremer, sogar an internationalen Rallyes teilnimmt und große Erfolge einfährt.

 

Ella Kremer im Bioladen

Tierwohl steh an erster Stelle

Die junge Frau vertritt vehement die Firmenphilosophie. „Wir bieten ein breites Sortiment an Bio-Produkten und regionalen Spezialitäten an. Unser Unternehmen setzt auf kontrollierte Aufzucht, eigene Schlachtung, eigene Verarbeitung von Bio-Hähnchen und Bio-Puten in Mecklenburg und über die Landesgrenzen hinaus – alles in einer Hand.“ Mit der Umstellung auf Bio im Jahr 2022 ging für sie in erster Linie der Wunsch nach größtmöglichem Tierwohl in Erfüllung. „Wir finden in unserer Familie viele Argumente, die diesen Schritt rechtfertigen. Vordergründig geht es darum, eine gesunde Ernährung zu ermöglichen“, beschreibt Ella Kremer das Ansinnen. „Bei der Tierhaltung für das Bio-Segment sind strenge Richtlinien einzuhalten. Wir stehen in engem Kontakt mit den Landwirten, die wiederum regelmäßig durch die entsprechenden Verbände und Institutionen kontrolliert werden.“ So wachsen beispielsweise in der Nähe von Severin rund 2.000 Bio-Waldputen auf 20.000 Quadratmetern Wiese und 7.500 Quadratmetern Waldfläche auf. Frische Luft, artgerechte Bewegung, bestes Futter – eine hohe Fleischqualität ist damit garantiert.

Tierwohl, so Ella Kremer, sei nicht per se eine Frage ökologischer Haltung. „In der eigenen Familie kommt auch Fleisch von Tieren auf den Tisch, die in der Region unter besten Voraussetzungen gehalten werden und somit eine hochwertige, wohlschmeckende und gesunde Qualität garantieren. Wenn ich weiß, wie Tiere gehalten werden, dann esse ich sie auch.“ Insofern gibt sie hauseigenen Bio-Geflügelprodukten, regionalem Premiumfleisch vom Bio-Angus-Rind, Wild oder Duroc-Schwein gern den Vorzug. „Importiertes Billigfleisch landet definitiv nicht in meiner Pfanne. Es ist und bleibt eine Frage des durchaus guten Geschmacks, wie lange ein Tier auf der Weide stand.“

Landpute
Mecklenburger Landpute bietet ein breites Sortiment an Bio-Produkten und regionalen Spezialitäten

Qualität hat ihren Preis

„Es gab Fleisch in Bio-Qualität und einzelne Bio-Produkte ja auch schon vor dem radikalen Umbruch. Natürlich erfordert ein solcher Schritt aus unternehmerischer Sicht Mut, mehr Geld und stringentes Handeln. Unsere Überzeugung stärkt uns. Und auch das Feedback von Kunden, die sehr wohl zwischen hochwertigen Angeboten und Billigprodukten differenzieren.“ Mit der Zeit stieg die Akzeptanz für die höheren Preise. „Und damit auch die Anerkennung für die Wertschöpfungskette, die so viele in der Ernährungsbranche ambitioniert und mit Herzblut stärken.“

Die nicht kalkulierbare Bio-Vermarktung nahmen die Severiner in Kauf und wussten, dass es eine gewisse Zeit braucht, bis sich das Kaufverhalten einpendelt. Sie brachten derweil einen Online-Shop ins Netz und warben mit den leckeren Produkten überregional um neue Kunden. Die fanden sich beispielsweise in Nordrhein-Westfalen. Stammkunden vor Ort haben sich ebenfalls überzeugen lassen.

„Wir sind durchaus zufrieden mit unserem Kundenkreis. Unsere fünf Filialen, der Hofladen und das Online-Geschäft sorgen für reichlich Arbeit. Der Absatz auf den Wochenmärkten gestaltet sich hingegen rückläufig.“ Das findet Ella Kremer schade. Aktuell kann der Online-Shop mit komplettem Sortiment einen Teil des Umsatzes kompensieren. Spezielle Verpackungen und Express-Versand seien Standard, damit die hochwertigen Produkte frisch und schnell ihr Ziel erreichen. Auch für die verarbeiteten Produkte gelten strenge Regeln: Geschmacksverstärker, Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Weichmacher oder künstliche Aromen sind tabu. Naturprodukte bekommen eine Veredlung mit Gewürzen und Kräutern – in traditioneller Anlehnung.

Truthahne
In der Nähe von Severin wachsen rund 2.000 Bio-Waldputen auf 20.000 Quadratmetern Wiese und 7.500 Quadratmetern Waldfläche auf.

Verantwortung übernehmen ist keine Altersfrage

Kaum, dass Ella Kremer so richtig ins Familienunternehmen eingestiegen ist, gehören einige Sorgen zu ihrem beruflichen Alltag. „Angesichts der politischen Entscheidungen, wie den Überlegungen zur Fleischsteuer, gestaltet sich die Kooperation mit den Landwirten um vieles schwieriger. Wir sehen noch keine Garantien, dass diese Mehreinnahmen auch bei den Produzenten ankommen.” Höhere Abgaben bestimmen die Diskussion mit Blick auf CO₂-Emissionen oder den Einsatz von Kunststoffen. „Ich frage mich allen Ernstes, wo führt das hin? Unsere Ziele und Ideen umzusetzen, erweist sich momentan durch Kostensteigerungen und diktierte Auflagen als nicht mehr realistisch.“

Die junge Unternehmerin schaut bei ihren Überlegungen über den Tellerrand. „Bio-Produkte sind eine großartige Möglichkeit, mehr Tierwohl und Umweltschutz zu realisieren. Die aktuelle Politik lässt jedoch Zweifel aufkommen, ob das am Ende wirtschaftlich darstellbar ist. Für Produzenten, Verarbeiter und Kunden gleichermaßen.“ Und dann stehen am Anfang wieder die Landwirte, die den Spagat zwischen dem Traum von einer schönen, heilen Welt sowie dem Überleben der eigenen Höfe meistern müssen. Ella Kremer wünscht sich mehr Bewusstsein fürs Essen. Ein Umdenken wäre wünschenswert.

Obwohl noch so jung, beweist die Severinerin Weitblick und bricht eine Lanze für einen ganzen Wirtschaftszweig. Zahlreiche Landwirte der Region liefern wertvolle Rohstoffe für hochwertige Nahrungsmittel. Alle zusammen erwirtschaften in Mecklenburg-Vorpommern einen Jahresumsatz von etwa fünf Milliarden Euro. Rund 17.000 Beschäftigte stehen seit Jahren für ein kontinuierliches Wachstum der Ernährungswirtschaft. Zu den bedeutendsten Produktionsbereichen gehören die Backwarenindustrie, die Fleischverarbeitung, die Milchverarbeitung, die Fischverarbeitung und die Getränkeherstellung. Mehr als die Hälfte der Branchenumsätze des Landes werden dabei in Westmecklenburg erwirtschaftet.

„Langjährige Erfahrung und Entwicklung haben dazu beigetragen, dass wir diese Unternehmen so präsentieren können.“ Ella Kremer hat miterleben dürfen, dass es funktioniert. Eine wichtige Erkenntnis dabei: „Es braucht die Botschaft nach außen, dass wir aus Überzeugung handeln.“

Neue Ideen machen Betrieb zukunftsfähig

Das gilt auch für die Vermarktung von Bio-Angus-Rindern, Wild und Duroc-Schweinen. Erst 2022 entstand die neue Zerlegung. Mittlerweile bringen es die Nichtgeflügelprodukte der Eigenmarke „Mecklenburger Premium“ auf einen gewissen Anteil des Umsatzes. Ob Privatkunden oder Restaurants: Spezielle Anforderungen sollen bedient werden, beispielsweise bei anderen Zuschnitten für Fleisch. „Da sind wir noch in der Findungsphase. Genau das macht uns ebenfalls aus: Wir entwickeln ständig Produktneuheiten, probieren die eigenen Ideen aus und verkosten diese natürlich“, sagt Ella Kremer.

Rund 250 Mitarbeiter, acht Auszubildende inklusive, gehören zum Unternehmen in Severin. Berufsnachwuchs und Fachkräfte zu gewinnen, gestaltet sich schwierig – sowohl im Fleischerhandwerk als auch bei den Fachverkäuferinnen. Somit steht die Unternehmertochter selbst mit im Verkaufswagen, wenn es personell eng wird. Sie versteht nicht, warum sich junge Menschen nicht für das Fleischerhandwerk interessieren. „Hier werden große Dinge bewegt. Selbst in Corona-Zeiten gab es keinen Stillstand. Als systemrelevantes Unternehmen haben wir produziert und verkauft. Mich macht es stolz, dazu beizutragen, dass bei vielen Menschen der Tisch gedeckt ist.“