Künstliche Intelligenz erleichtert bereits in vielen Bereichen zahlreiche Aufgaben insbesondere im Alltag – sowohl in Unternehmen als auch im privaten Umfeld. Das Unternehmen Planet AI mit Wurzeln in Schwerin ist ein europäischer KI-Pionier mit über 30 Jahren Erfahrung, von der viele internationale Unternehmen profitieren.
Milliarden von Dokumenten sind weltweit im Umlauf. Unvorstellbare Mengen an Informationen auf Papier, die perspektivisch in digitaler Form zur Verfügung stehen könnten. „Viele denken, dass ein eingescanntes Dokument schon Digitalisierung ist. Aber das ist Quatsch“, sagt Welf Wustlich. „Es geht darum, dass die Inhalte auch gelesen und verstanden werden und daraus entsprechende Handlungsanweisungen generiert werden.“ Die Grundlage für solche automatisierten Prozesse bietet eine Art künstliches Gehirn, sogenannte neuronale Netze.
Seit über 30 Jahren beschäftigt sich der Physiker Welf Wustlich damit, eine künstliche Intelligenz zu entwickeln, welche die kognitiven Fähigkeiten des Menschen im Bereich der Wahrnehmung nachahmt. Als einer der Gründer des KI-Unternehmens Planet AI hat er in diesem Bereich bereits beachtliche und mehrfach international ausgezeichnete Erfolge erzielt. Die zugrundeliegende Technologie wurde 2018 patentiert. Die sogenannte PerceptionMatrix ermöglicht es der von Planet AI entwickelten künstlichen Intelligenz, Informationen vergleichbar zum menschlichen Gehirn wahrzunehmen und zu verarbeiten und dadurch ebenso schnell und intelligent zu sein. „Es ist die Grundlage für unsere Intelligente Dokumentenanalyse, kurz: IDA, mit der wir die Verarbeitung von Dokumenten revolutioniert haben“, so Wustlich. Mittlerweile nutzen Postunternehmen und -dienstleister in ganz Europa die Entwicklung, ebenso die US-Post sowie das weltweit operierende Kurier- und Logistikunternehmen FedEx.
Schon immer hat Welf Wustlich interessiert, was die Welt im Innersten zusammenhält. An der Universität Rostock bekam er Anfang der 1990er Jahre die Gelegenheit, in Projekten zur Erforschung der Funktion des menschlichen Gehirns mitzuwirken. „Ich war fasziniert davon, herauszufinden, wie Intelligenz funktioniert“, erzählt Welf Wustlich heute. Um das zu erreichen, wurden künstliche Modelle entwickelt, mit denen die natürlichen Lernprozesse im Gehirn nachgestellt werden konnten.
Eigentlich wollte Welf Wustlich dazu auch seine Doktorarbeit schreiben. Darauf verzichtete er jedoch zugunsten einer Unternehmensgründung in Schwerin. Zusammen mit drei Kommilitonen gründete er 1992 die Planet GmbH, deren Fokus auf der Planung und Anwendung neuronaler Technologien lag, was sich auch im Firmennamen widerspiegelt. „In Europa waren wir eines der ersten Unternehmen, die auf diesem Gebiet ganz vorne mit dabei waren“, so Wustlich. „Aber wir waren zu frühe Pioniere, die Zeit war noch nicht reif. Unsere Konzepte waren super, aber die für die Umsetzung nötigen Ressourcen fehlten.“ So widmete sich das Unternehmen zunächst auch anderen Sparten, etwa dem Bereich der Verkehrsüberwachung. 1996 brachten sie das erste Radarfilm-Bewertungssystem auf den Markt und wurden damit führend im deutschsprachigen Raum. Welf Wustlich erinnert sich, wie dafür extra ein Gerät gebaut wurde, um die damals noch eingesetzten Negativfilmtrommeln mit einer Kapazität von 1000 Bildern automatisiert digitalisieren zu können. „Die wurde abends angestellt und am nächsten Morgen war das Material digital vorhanden und konnte mithilfe unseres Systems ausgewertet werden.“ Ein Meilenstein Mitte der 1990er Jahre.
Später kamen Systeme zur Adress- und Etikettenerkennung auf Postsendungen und Frachtgut hinzu. 2010 begann die Forschungszusammenarbeit mit der Universität Rostock auf dem Gebiet der Handschriftenerkennung.
Dabei konnten wertvolle Schriften aus dem europäischen Kulturerbe zugänglich gemacht werden, mehr als zehn Milliarden Seiten beispielsweise aus europäischen Kirchenbüchern. Es handelte sich um Dokumente ab dem 16. Jahrhundert, einer Zeit, in der es die sogenannte Kurrentschrift gab, für die aber keine allgemeingültigen Regeln existierten. „Nur noch wenige Menschen sind heute überhaupt noch in der Lage, diese alten Schriften zu lesen“, erzählt Welf Wustlich. „Nach dem Scannen konnte die KI das Dokument schnell und vollständig erschließen und helfen, die Schriften zu entziffern. Ohne KI wäre das sicher nicht möglich gewesen.“
Auch im Medizinbereich werden erfolgreich Entwicklungen der Planet AI eingesetzt, etwa bei der Auswertung radiologischer Daten, insbesondere klinischer Bilder aus der Magnetresonanztomographie (MRT). So kann die Planet-AI-Software die MRT-Bilder zu einem 3D-Modell zusammensetzen und über Abweichungen zum statistischen Mittel Hinweise zur Diagnose liefern. Weil die Software über viele Tausend Daten von Wirbelsäulen verfügt, findet sie schnell mögliche Fehlstellungen.
2019 hat Planet AI außerdem das Forschungsprojekt „Doctor AI“ zur intelligenten Bild- und Dokumentenanalyse für Anwendungen im Gesundheitswesen in Kooperation mit der Universitätsmedizin Rostock gestartet. Ziel war es, Zusammenhänge zwischen medizinischen Daten zu erkennen und Ärzten mit einer Software Empfehlungen zur Prävention und Behandlung von Patienten mit Herzrhythmusstörungen zu geben, um damit einen Beitrag zur Verhinderung von Schlaganfällen zu leisten. Um das KI-System im medizinischen Bereich fortlaufend mit entsprechender Fachexpertise weiterzuentwickeln, unterhält Planet AI umfangreiche Forschungs- und Entwicklungskooperationen mit vielen Unikliniken und Wissenschaftseinrichtungen im gesamten norddeutschen Raum.
„Die Vielfalt unserer Anwendungen mag im ersten Moment etwas wie ein Bauchladen anmuten“, so Wustlich schmunzelnd. „Aber im Grunde eint sie alle die technologische Basis unserer KI. Immer geht es darum, Bilder, Videos oder Dokumente auszuwerten, deren Information zu verstehen und in einen Zusammenhang zu bringen.“ So fungieren die KI-Systeme von Planet AI als Assistenzsysteme, die anhand der vorliegenden Daten qualifizierte Vorschläge für die weitere Vorgehensweise machen und damit viel Zeit und Arbeit sparen, um zum Beispiel auch Personal zu entlasten. Dieses habe dadurch mehr Zeit, etwa für die Patienten. Außerdem würden Flüchtigkeitsfehler vermieden.
Die Steigerung von Effizienz und Qualität ist für Welf Wustlich ein wichtiger Effekt von Künstlicher Intelligenz. „Es ist die größte Technologie, die die Menschheit entwickelt hat“, sagt er. „Und es wird auch die letzte sein, denn danach wird hier die KI einspringen.“ Auf die Frage, ob dies nicht eine beängstigende Aussicht sei, antwortet der 57-Jährige: „Selbst, wenn es keine gute Idee wäre, KI weiterzuentwickeln, wäre dieser Prozess nun nicht mehr zu stoppen. Wir können nur dafür sorgen, dass die richtigen Dinge damit gemacht werden.“ Die größte Gefahr gehe seiner Ansicht nach vor allem von einer missbräuchlichen Verwendung aus. Das müsse natürlich verhindert werden. Aber Wustlich mag nicht schwarzmalen. „KI hilft uns bei Problemen, für die wir heute keine Lösung haben. Da wird in den nächsten Jahren noch ganz viel passieren und Einflüsse in ganz vielen Bereichen entfalten. Dabei wollen wir gerne mitmachen.“
Zusammen mit Jesper Kleinjohann hat Welf Wustlich die Planet AI im Jahr 2015 als Tochtergesellschaft der Schweriner Planet GmbH in Rostock gegründet. Angefangen mit zwei Mitarbeitern sind es heute über 40. Viele davon sind Absolventen der Universität Rostock, mehrere sind promoviert. Sie sind vor allem im Bereich Forschung und Entwicklung beschäftigt. Um die anwendungsorientierte KI-Forschung auch im internationalen Vertrieb zukunftsfähig aufzustellen, beteiligte sich im Oktober 2023 die Bechtle AG mit Sitz in Neckarsulm mit 51 Prozent der Unternehmensanteile an Planet AI. „Für uns war das ein wichtiger Schritt, um unser Wachstum zu beschleunigen und einen breiten Zugang zum Markt zu erhalten“, erklärt Welf Wustlich die Beweggründe zur Beteiligung des weltweit agierenden schwäbischen Unternehmens mit mehr als 14 800 Mitarbeitenden. „Mit der Vertriebsstärke von Bechtle und unserer Technologie bringen wir zukunftsweisende Lösungen zu den Kunden.“
Dass die Anwendungen auch weiterhin einen Bezug zu alltäglichen Lebensbereichen und Herausforderungen behalten werden, zeigt die aktuelle Beteiligung der Planet AI an einer Ausschreibung zur Wiederherstellung der noch immer nur in Schnipselform vorliegenden Stasi-Akten. Die vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR 1989 zum Teil per Hand in kleinste Stücke zerrissenen Unterlagen der Stasi wurden nach dem Fall der Mauer in vielen tausend Säcken gesichert, mit jeweils mehreren zehntausend Schnipseln Inhalt. Hunderte Millionen von Schnipseln müssten zunächst sortiert und in Zusammenhang gebracht werden, bevor sie gelesen und analysiert werden können. „Wir haben schon Tests dazu bei uns im Labor gemacht und sind nun gespannt, ob wir den Zuschlag für das Projekt erhalten“, so Welf Wustlich.
Planet AI GmbH
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